28. März 2019

 

 

EU Parlament verschiebt Abstimmung

 

(https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/eu-parlament-verschiebt-abstimmung-zum-mobilitaetspaket-2276669.html?fbclid=IwAR2K1I5Ted80gjns_xiKEDBQETlw1M_rQzmQ8jODGBNw9vjFh_CaMFtsl1I)

 

 

Als ich gestern die Nachricht gelesen habe, bin ich vom Glauben abgefallen. Natürlich könnte man sagen, daß ich ein hoffnungsloser Optimist und Träumer bin, aber das erhält mich am Leben und lässt mich nicht verzweifeln. Auch wenn ich zwischendurch in eine Phase der Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit falle, lässt mich doch meine Erziehung, aber auch mein Wunschweltbild, zu weiterem Optimismus aufleben.

 

Aber um was geht es eigentlich?

 

Ich selbst kann es nur aus der Sicht eines Fahrers beschreiben. Ob das jetzt auf jeden Fahrer so zutrifft sei dahingestellt.

 

Gestern postete ich auf Facebook den Link über die Verschiebung und es kam ziemlich schnell ein Kommentar, den ich eigentlich fast erwartet hatte.

 

Zitat: „…..das ist alles gewollt.“

 

Ist es das? Von wem? Von uns Fahrer? Von den Transportunternehmer? Von den Verbänden? Von den Gewerkschaften? Von der Politik? Von der Industrie?

 

Was wird jetzt die Antwort auf diese Fragen sein? Ich denke, daß jeder, oder fast jeder die letzte Frage nennen wird. Die Industrie! Lobbyisten! Die, die mit jeder Menge Kohle um sich werfen. Die, die mit ihrer Macht und Geldgier die Politik, kleinere Unternehmen und die Bürger in die Knie zwingt, ausbeutet und ausquetscht wie eine Zitrone.

 

Für mich sind das die Hauptverursacher. Natürlich sind es auch die größeren Transportunternehmer, die das Frachtendumping und die billigeren Transportunternehmen aus den Moe-Staaten ausnützen. Diese wehren sich nicht, weil sie ja für ihre Verhältnisse viel Geld verdienen und auch die Fahrer nehmen diese unmenschlichen Bedingungen wortlos hin, weil sie so ihrer Familie ein gutes Leben bieten können.

 

Auf meine Frage meines Postings bei Facebook, wer denn die Schuld trägt, kam die Antwort, Zitat: „ich nicht.“ Darauf bin ich nicht eingegangen, weil ich diese Antworten auch schon kenne. Zwar hatte ich eine andere Antwort erwartet, wurde aber wieder belehrt, daß ich manchmal zu viel von anderen erwarte.

 

„Ich nicht“ „Schuld ist jemand anderes“ „Der hat dies oder jenes gemacht“ etc.

 

Nein! Wir, jeder Einzelne ist schuld, daß diese Geld und Machtgeier das mit uns machen. Wir selbst sind schuld, daß wir so kurz gehalten werden. Wir selbst haben es vergeigt, wir selbst waren zu leise, wir selbst konnten keinen Druck aufbauen, damit diese Woche, oder noch viel früher eine positive Entscheidung für uns Fahrer gefällt wurde.

 

Jede einzelne Bestellung von Amazon, von der ich mich nicht freispreche, jeder Satz; „da mische ich mich nicht ein“ „interessiert mich nicht, gehe ja bald in Rente“ „kann man eh nix machen“ „bringt ja eh nix“ „wenn der dabei ist….“ „solange der was zu sagen hat….“, etc., jedes akzeptieren von illegalem und sozialer Ungerechtigkeit macht uns schuldig.

 

Das ist jetzt erst mal auf den Fahrer, bzw. Bürger bezogen. Aber was ist mit den Unternehmern und Unternehmerverbänden? Sind sie nicht genauso Schuld, oder vielleicht noch mehr daran Schuld an der Situation? Ja, aus Sicht des Fahrers ein eindeutiges „JA“. Ihr Unternehmer, die teilweise geschult und studiert habt, konntet diese Situation eigentlich voraussehen und hättet etwas dagegen tun können. Vielleicht nicht alleine aufhalten, aber doch einbremsen, oder es schwerer machen. Tja, wie? Genauso wie wir Fahrer es nicht geschafft haben uns zu organisieren, habt ihr es nicht geschafft euch zusammen zu tun. Ihr, die eigentlich als Unternehmer das Können, Wissen und Talent haben müßtet, zu organisieren und Wege zu finden. Leider, was ich z.T. auch nachvollziehen kann, wird lieber der bequemere Weg gegangen. :/

 

Die Gewerkschaften! Tja! Teilweise großkotzig kommen sie daher und wollen dem Fahrer weis machen, daß sie ohne Gewerkschaft nichts sind. Daß der Fahrer ein nichts ist ohne Gewerkschaft. Ist das so? Eine Firma ist ohne Arbeiter ein Nichts. Ein Verein ist ohne Mitglieder ein Nichts. Und was ist eine Gewerkschaft ohne Mitglieder? Naja, wenn ich jetzt die Verdi anschaue, ist sie auf die Fahrer nicht angewiesen, da sie in anderen Sparten genug Mitglieder hat. Aber womit wirbt eigentlich die Verdi? Jep! Macht einen Betriebsrat in eurer Firma. Wir helfen euch dabei, etc.! Tolle Idee! Aber was nützt ein Betriebsrat in einer Firma, die um das Überleben kämpft? Die es eventuell bald nicht mehr gibt? Was ist da los in Brüssel? Geht ihr da nicht auch ein und aus? Ihr schafft es ja sebst nicht, euch  europäisch zusammen zu schließen um „Gemeinsam“ Druck aufzubauen, damit es mehr soziale Gerechtigkeit gibt. Natürlich gibt es vereinzelt Aktionen und Zusammenarbeit, aber ich bin sicher, da geht noch mehr. ;) Ach ja! Ihr seid ja keine Mitglieder! ;) Viele Fahrer fordern von der Gewerkschaft, daß sie erst mal etwas für sie tut. Aber Verdi ist da ganz empört und fordert, tretet ein und wir machen etwas für euch. Toll! Wann wurde die ETF-Studie veröffentlicht? Da wird doch ganz genau aufgezeigt was in der EU los ist. Na klar, wurden Demos in Brüssel und Strasbourg gemacht, aber selbst dafür habt ihr nicht genug Leute auf die Straße gebracht um der Welt zu zeigen, daß ihr etwas macht. Vielleicht solltet ihr mal umdenken, wie man die Zukunft der Fahrer erhalten kann, ihnen eine gut bezahlte Tätigkeit ermöglicht um viele zahlende Mitglieder zu bekommen. Vielleicht zusammen mit den Unternehmern den Industrielobbyisten auf die Füße treten?

 

Ja, die Politik. Die von der Wirtschaft gesteuerte Politik. Da findet so viel hinter verschlossenen Türen statt. Da werden Entscheidungen getroffen, Gesetze verabschiedet, Berater für viel Geld eingesetzt, etc.! Zum Wohle des Volkes? Leider Nein. L Als „normaler“ Bürger fragt man sich manchmal, ob die Politiker irgendwo ihre Ehre, ihr Gewissen und auch ihr soziales Denken irgendwo abgegeben haben. Ich habe zwar Politiker in den letzten Jahren kennen gelernt und mußte feststellen, daß es doch einige tolle und sozial eingestellte Politiker gibt. Das Problem dabei ist, daß sie zwar Hebel in Bewegung setzen können, auch etwas erreichen können, aber doch reicht ihre Macht nicht weit genug um größeres zu bewegen, bzw. schnell etwas zu bewegen. Wenn ich an die Bilder, Videos von der Raststätte Aachen zurück denke, als ich das bewegte Gesicht von Frau Nahles sah, hatte ich den Eindruck, daß sie doch sehr betroffen war. Natürlich bekam da meine Erwartungshaltung wieder einen Höhenflug und wurde erwartungsgemäß enttäuscht. Wobei man wahrscheinlich realistisch sehen muß, daß dieses Gesehene mit Sicherheit einige Tage Eindruck hinterlassen hat, aber der Alltag der Politik, die Aufgaben und Termine, haben das wahrscheinlich schneller vergessen lassen.

 

Wenn ich da an die Politikverdrossenheit, der Trotzwähler und auch an die LmaA-Einstellung der Menschen denke, kann ich diese irgendwie verstehen. Aber sollen wir lieber den Kopf in den Sand stecken? Was wird in 100 Jahren in den Geschichtsbüchern stehen? Was werden die nachfolgenden Generationen über das Erbe sagen das wir ihnen hinterlassen? Sei es von Seiten der Natur, oder von der sozialen Ebene. Werden sie mit diesem Dreck und mit dieser modernen Sklaverei einverstanden sein und uns danken? Ich denke eher nicht.

 

Ist die Wirtschaft wirklich so eine große Macht?

 

Vor kurzem war ich mit meiner Frau bei einer Alpakawanderung und der „Alpaka-Papa“ erzählte uns viel über die Tiere. Alpakas sind Fluchttiere! Sind wir Menschen das nicht auch? Flüchten wir nicht vor Problemen, flüchten wir nicht vor der Verantwortung, flüchten wir nicht vor dem Kampf für die soziale Gerechtigkeit und begeben uns in die bequemeren kalten Mauern die wir um uns gebaut haben? Wenn Alpakas ihrer Kraft die sie haben bewußt wären, würden sie sich nicht so willenlos führen und halten lassen. Hm!? Wieder ziehe ich da eine Parallele zu uns Menschen. Wenn wir uns bewußt wären, was wir gemeinsam für eine Kraft haben, würden wir uns das alles nicht bieten lassen.

 

Doch wie soll man sich wehren? Uns in der Fahrerbewegung wurde mal der Tipp gegeben, daß wir Lkw Reifen anzünden sollen! :o Lkw quer stellen auf der Autobahn! Barrikaden errichten!

 

Manchmal, so wie gestern, als ich las, daß sich die Politiker nicht einig sind und die Entscheidung verschoben haben, war ich wütend und ich hatte auch solche Gedanken. Aber wer soll das machen? Ein Einzelner irgendwo? Wer hat nichts zu verlieren und würde riskieren in den Bau zu kommen?  Aber wie soll man Menschen überzeugen, die über einen Berufszweig zu entscheiden haben, die wahrscheinlich noch nie in einem Lkw gesessen haben und bei denen ich anzweifle, daß sie Ahnung von der Realität haben, die richtige Entscheidung zu treffen?  

 

Ich glaube auch, daß es zu diesen radikalen Prozesse nicht zu kommen braucht, wenn wir uns alle über unsere Macht und Kraft im Klaren wären.

 

Jetzt lasst mich mal wieder träumen und den Weg erläutern, der für mich am wirksamsten erscheint. Ich weiß auch, daß ich das nicht zum ersten Mal mache und ähnliches schon geschrieben habe, aber das ist vielleicht mein Weg, diese Gedanken in Umlauf zu bringen. Vielleicht ist es irgendeinem mal möglich, diese Gedanken in die Realität umzusetzen. Zum Teil hatte Udo Skoppeck das schon geschafft, aber wie immer dauert so etwas viel zu lange. Leider rennt uns die Zeit davon.

 

Liebe Unternehmer, liebe Gewerkschafter, liebe sozial eingestellte Politiker und vor allem ihr lieben Fahrer; Wenn wir nicht schleunigst unsere Differenzen untereinander und miteinander zur Seite legen, uns nicht aufraffen und die Kräfte bündeln, hat uns die Wirtschaft am A…..! Verbände, Gewerkschafter und Politiker, lasst eure Beziehungen spielen und die Kräfte auf die Straße bringen. Zeigt den Wirtschaftsköpfen, die über uns lachen und das letzte Hemd nehmen wollen, was wir für eine Macht sind. Zeigt die Stärke der Mehrheit und der Menschlichkeit.

 

Tja! Und wie liest sich jetzt der vorherige Absatz? Wie ein verzweifelte Schrei? Ein Aufruf? Ein Mimimi? Nein, das ist kein Mimimi, das sind einfach Gedanken über eine ganz große Ungerechtigkeit die in dieser Welt herrscht. Natürlich gibt es sicher andere Themen und akutere Dinge in dieser Welt, aber in meiner kleinen Truckerwelt muß ich seit Jahren sehen, wie sie immer mehr dem Angrund entgegen geht. Jeder sieht es, jeder weiß es, aber kaum einer steuert dagegen. :/

 

Vielleicht gibt es jemanden, der auch die Notwendigkeit sieht, den Mut hat und vor allem die Möglichkeit hat etwas voranzutreiben. J

 

Michael Schmalz (Kraftfahrer und Träumer)