Freiheit

 

Freiheit ist eines der größten Geschenke. Natürlich versteht jeder etwas anderes unter Freiheit und wird rumnögeln, daß seine Freiheit durch viele Dinge eingeschränkt ist. Ich denke aber das wir hier in Deutschland und Europa großes Glück haben und selbst bestimmen können wo und wann wir irgendwo hingehen.
Leider gibt es Länder auf dieser Erde, wo die Bevölkerung nicht diese Freiheit hat. Durch Terror, Unterdrückung und Krieg ist die Freiheit sehr eingeschränkt und viele verlassen ihre Heimat weil sie von Freiheit träumen und in ihrer Zukunft frei sein wollen. Kann man das verdenken? Kann man das verurteilen?
Vielleicht geht es uns zu gut und wir sehen die Freiheit als selbstverständlich an, weil wir es nicht anders kennen. Aber wir sollten uns mal, dank dem Internet, diese Länder anschauen. Mal schauen wie es dort ist, mal schauen was dort alles zerstört ist, mal schauen wie diese Menschen dort leben. Ja, einfach mal von unserem großkotzigen hohen Pferd absteigen und über den Tellerrand schauen.
Natürlich wollen diese Menschen, wenn sie überhaupt die Möglichkeiten haben und über die Mittel verfügen, in ein Land, das vom hörensagen die größtmögliche Sicherheit und Freiheit bietet. Europa!
Wenn ich mir jetzt vorstelle, wo der Flüchtling aufgewachsen ist, welche Religion und Werte er beigebracht bekommen hat und kommt jetzt in Europa an, daß das für ihn im ersten Augenblick nach diversen Strapazen ein riesen Geschenk ist.
Freiheit! Kein horchen auf Bomben und Schüsse! Keine Angst mehr, daß man zu seinem Haus zurück kommt und es ist einfach nicht mehr da, weil irgendwelche Länder meinen Krieg führen zu müssen.
Daß aber diese Flüchtlinge in keinster Weise Ahnung von unserem Leben, Kultur und Freiheit haben, kann man sich eigentlich schon vorstellen, oder nicht?
Ich habe hier in Facebook oft die Aussage gelesen; Wenn sie sich hier nicht anpassen können und unsere Regeln anerkennen, sollen sie wieder verschwinden wo sie her kommen. Da gebe ich einerseits recht, aber man sollte ihnen diese Regeln, Gesetze und Lebensweisen erst einmal beibringen. Und das kann natürlich dauern. Seltsamerweise versteht das kaum jemand, sondern verurteilt sofort jedes Fehlverhalten und vorverurteilt sofort jeden Flüchtling. :( Jetzt sind es plötzlich alle Flüchtlinge die unsere Kultur nicht anerkennen. Aber ist das so?
Wenn ich jetzt, wie eigentlich jeden Winter lesen muß, daß diverse Postings wegen unseren Obdachlosen rumgehen und vor allem kriege ich das Kotzen wenn ich die Kommentare darunter lese. :( Naja, sind ja keine Flüchtlinge die alles in den Arsch geschoben kriegen. Denen hilft keiner, vom Staat im Stich gelassen, usw. :/
Manche wissen es, oder haben es gelesen, daß ich auch mal Obdachlos war. Ja, ich habe in der Stadt in der ich aufgewachsen bin große Scheiße gebaut. Für mich gab es damals nur einen Weg, Tramperrucksack packen und mit 20 D-Mark von einem Freund mich an die Bundesstraße zu stellen und den Daumen in die Höhe zu heben. Ich stand da, ohne Wohnung, ohne Geld, mit einem Ziel irgendwo anders neu anzufangen. Die üblichen Träumereine und Vorsätze, eines Tages zurück zu kommen und allen zeigen das aus mir doch noch etwas vernünftiges geworden ist. Auf jeden Fall bin ich im Schwarzwald losgetrampt. Mein Ziel war Cuxhaven. Naja, das ging eigentlich ganz gut und bin mit diversen Pkw und Lkw sehr spät nachts da angekommen. Zu spät um noch bei der Verwandschaft zu klingeln. Also Bahnhof und dort die Nacht verbringen. Da hat die Bahnhofspolizei aber etwas dagegen gehabt und hat mich rausgeschmissen. Nach einer Weile habe ich dann hinter einer Tankstelle ein Schrottauto gefunden in dem ich dann schlafen konnte.
Nachdem sich dann meine Hoffnung für einen Neuanfang zerschlagen hat, bin ich dann wieder los. Neues Ziel Saarland. Da bin ich ja im Saarland geboren bin und da noch Verwandschaft hatte. Also Daumen hoch und weiter. Naja, das lief diesmal nicht so gut und ich habe unterwegs mal in einer Raststätte, eine unverschlossene Dusche gefunden und habe da auf dem Boden geschlafen. Als ich dann im Saarland angekommen bin, war mein erster Weg die Kirche. Der Pfarrer wohnte nebenan und ich habe geklingelt. Er machte die Tür auf und ich erklärte ihm, daß ich meinen Erzeuger suche, Obdachlos bin, keine Kohle habe, Hunger habe und Hilfe suche. Geh aufs Sozialamt, sagte er und schlug die Türe vor meiner Nase zu. Wie bitte? Ein katholischer Pfarrer!?
Ok, ich habe mich dann an die Verwandschaft gewendet, das hatte aber auch nicht so funktioniert wie ich dachte. Ok, und jetzt!? Ich saß da, den Tränen nah und wußte nicht mehr wohin. Hm!? Ich kenne noch jemanden in Mannheim. Eine Bekannte meiner Mutter, vielleicht kann sie mir helfen. Also, wieder zur Autobahn und auf nach Mannheim. In Mannheim kam ich dann auch spät Abends an und da wollte ich die Bekannte auch nicht mehr anrufen. Ein Autofahrer lies mich in Mannheim-Waldhof aussteigen. Und jetzt!? Wo schlafe ich? In Mannheim-Waldhof gab es eine Bahnhofsunterführung und da habe ich mich auf den Boden gelegt. Schlafsack und den Kopf auf meinem Rucksack. Wie ein Penner bin ich mir vorgekommen. Hm!? War ich das nicht schon!? Am nächsten Morgen wachte ich durch den vermehrten Lärm von den Menschen die zur Arbeit gingen auf und machte mich auf den Weg! Ja wohin eigentlich? Hauptbahnhof! Also wanderte ich los und folgte den Hinweisschilder Hauptbahnhof. Es war schon eine ganz schöne Strecke. Am Bahnhof ging ich erst Mal duschen und danach überlegte ich was ich jetzt machen könnte. Da fiel mir ein Schild auf, Bahnhofsmission! Ok, mal schauen. Dort angekommen, erzählte ich mein Problem und sie gaben mir eine Adresse von einer Obdachlosenunterkunft. Ok, dachte ich, ein Bett wäre nicht schlecht. Also wanderte ich dort hin. Dort angekommen wurde mir gesagt, daß ich ein Bett haben könnte, aber erst am Abend. Ich glaube 19 Uhr. Ok, sagte ich, bis später. Dann suchte ich mir ein Telefon. Von da aus rief ich die Bekannte meiner Mutter an und erklärte ihr mein Problem und meine Lage. Naja, ich wurde eigentlich ziemlich schnell abgewimmelt und meine letzte Möglichkeit auf Hilfe verschwand. :/
Ich setzte mich an den Neckar und dachte nach.Ich kam mir schon ziemlich alleine und hilflos in einer großen Stadt vor.
Am Abend gingich zur Obdachlosenunterkunft und wurde in einen großen Raum gebracht. 24 Betten, Doppelstockbetten, in einem Raum! :o Ok, scheiß drauf, hauptsache unter einem Dach und ein Bett. Aber wer und wieviele haben da schon drin geschlafen? Egal, denk nicht dran. Mit der Zeit kamen immer mehr Leute. Oje! Das sind ja alles Penner! :o Hm!? Eigentlich bist du ja jetzt auch einer. :/
Ok, es waren nicht alle Betten besetzt in der ersten nacht, aber ihr könnt euch vorstellen, daß die Raumluft nicht gerade angenehm war. Am nächsten Morgen um 7 Uhr wurden wir geweckt und mit Sack und Pack auf die Straße gesetzt. Ich schaute wohin manche von den "Pennern" gingen. Ich traf welche an einem Treffpunkt an der Kurpfalzbrücke, da gab es ein Kiosk. Ich holte mir von meinem immer weniger werdenden Geld einen Kaffe und eine Brezel. Es kamen immer mehr Leute her. Manche waren einkaufen gewesen und hatten die erste Flasche Bier geöffnet. Andere gingen los um zu betteln, andere gingen klauen um das Geklaute wieder zu verkaufen. Ich unterhielt mich mich mit den Leuten und erfuhr durch welche Schiksale und Lebensüberraschungen sie Obdachlos geworden sind. Da lernte ich auch, daß sehr viele Schiksale erlebt haben und dadurch in ein tiefes Loch gefallen sind und nicht mehr rauskommen.
Ich lernte in den nächsten Tagen mehrere verschieden Menschen kennen. Einen Edelberber, der hat mich zum essen eingeladen. Er erzählte mir von seinem Leben und er hatte echt reichlich Kohle einstecken. Alles durch betteln und klauen. Er bot mir an mit ihm mit zu gehen und er lernt mich ein. Hm!? Nö! Auf so ein Leben habe ich keinen Bock. Ich will lieber arbeiten gehen, Familie und ein Haus. :)
Ich habe verschiedene Anlaufstellen gezeigt bekommen. Eine Stelle, bei der ich Klamotten bekommen wenn ich brauche, von Caritas eine Stelle, wo ich jeden Tag ein warmes Mittagessen bekomme. Stellen, zu denen ich am Morgen hin konnte und wo Firmen kommen um für ein paar Stunden oder nur für einen Tag eine Hilfskraft suchen. Diverse Kniffs und Tricks, die das Leben eines Obdachlosen erleichtern.
Aber wenn ich ehrlich bin, ich habe mich nicht wohl gefühlt. Ich kam mir irgendwie fehl am Platz vor und habe mir vorgenommen, nicht lange so leben zu wollen.
Irgendwann lernte ich einen kennen, der in einem Haus wohnte wo die Obdachlosenstelle von Mannheim möbilierte Zimmer hatte. In der Regel lief das so, daß man dort eine Woche sozusagen unter Beobachtung ist und dann ein möbiliertes Zimmer in einer WG bekommt. Das lies mich aufhorchen. Wir verabredeten und für den nächsten Tag und er versprach bis dahin mal seine Fühler auszustrecken. Am nächsten Tag kam er wieder und er gab mir erst mal ein Bier aus. Vormittags!? Ok, das scheint üblich zu sein. Einmal kann man das machen. So stand ich mit den anderen Stadtpennern hinter dem Kiosk und nuckelte an einer Flasche Bier. Danach holte ich schnell ein Päckchen Kaugummi und kaute kräftig das man das Bier nicht riechte. Zusammen gingen wir in eine andere Obdachlosenstelle und ich stellte mich vor. Ich bekam wieder einen Raum gezeigt, ok diesmal nur 8 Betten drin. :) Ich konnte dort meine Habseligkeiten verstauen und ich wurde angewiesen am nächten Tag diverse Behördengänge zu machen. Ich sah das als Chance und stand am nächsten Morgen auf und erledigte die Behördengänge. Nach der zweiten Nacht sagte der eine Sozialarbeiter zu mir, Du bist nicht wie die anderen Obdachlosen und kommst Abends nicht angetrunken her und wir möchten dir die Chance geben und dir ein möbiliertes Zimmer geben. Echt? Wow!? Ich habe mich gefreut wie die Sau. Ein Lichtblick, eine Chance! Wir fuhren mit dem VW-Bus zu einem Haus und ich bekam das Zimmer gezeigt! Cool! Steinalte Möbel, aber Scheiß drauf. Auf die Frage, ob ich das Zimmer wollte, sagte ich sofort zu. Ich bekam noch gesagt was ich beim Sozialamt machen muß um eine Erstausstattung für das Zimmer zu bekommen.
Naja, auch in dieser WG habe ich Leute kennen gelernt, die aus dem Sumpf einfach nicht mehr herauskommen, weil sie sich selbst aufgegeben haben und auch teilweise dem Alkohol verfallen waren.
Auf jeden Fall zeigt es doch an diesem Beispiel, auch wenn es 1989 war, daß es in Deutschland nicht nötig ist auf der Straße zu leben. Jeder Obdachlose hat die Möglichkeit ein Dach über dem Kopf zu bekommen und aus dem Sumpf heraus zu kommen.
Und ich weiß, daß es diese Stellen heute auch noch gibt. Also hört auf mit diesen erbärmlichen Postings, von wegen das sich um Flüchtlinge mehr gekümmert wird als um die eigenen Leute. Jeder in Deutschland lebende hat die gleichen Möglichkeiten, Anlaufstellen, Einrichtungen und Hilfen.
Aber ich muß auch sagen, daß ich irgendwie froh bin diese Erfahrungen gemacht zu haben. Erstens für mich selbst die Erfahrung, erwarte nie das dir jemand hilft. Am Besten du hilfst dir selbst. Zweitens habe ich einen tiefen Einblick in unsere Gesellschaft, Behörden und auch Seele vieler Menschen bekommen, die mir ermöglichen einiges aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Und als drittens, habe ich mich mit eigener Kraft und Willen aus dem Sumpf gezogen, weil ich so nicht leben wollte. Natürlich wurde mir der Weg gezeigt, aber gehen muß man ihn selbst und ohne eigenen Willen kann man keinen gezeigten Weg gehen.