11.August 2017

 

 

Arschkarte!

 

 

Manchmal ist es wirklich unglaublich, was man sich als Fahrer alles gefallen lassen muß.  Es gab mal eine Zeit, da war der Fahrer ein sehr angesehener Beruf. Man wurde als König der Landstraße bezeichnet. Wir Fahrer waren meistens überall gerne gesehen und willkommen.

 

Ich glaube, daß die fehlende Akzeptanz und fehlende Anerkennung irgendwann durch den vermehrten Konsum, Überangebot der Waren und auch durch das vermehrte Verkehrsaufkommen abhanden gekommen ist. Die ständige Hektik und natürlich auch, daß man einfach gewöhnt ist alles immer und jederzeit zu bekommen.

 

Diese Anerkennung, die von vielen Fahrern gefordert wird, brauche ich eigentlich nicht. Ich selbst weiß, daß ich einen wichtigen Beruf habe, bin mir der Verantwortung gegenüber meines Chefs, des Kunden, aber auch gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern bewusst. Natürlich mache ich immer wieder mal Fehler, bedingt durch Ungeduld, fehlendes Verständnis für manche Reaktionen und weil ich einfach ein Mensch bin der sehr emotional ist und auch so handelt. Klar habe ich auch schon mal einem die Vorfahrt genommen, war zu schnell, usw.!  Aber ich liebe meinen Job mit allen Ecken und Kanten.

 

Aber!!! Jetzt kommt das „Aber“!

 

Meinen Job versuche ich nach bestem Gewissen für meinen Chef und auch für den Auftraggeber durchzuführen. Aber alles hat seine Grenzen. Ich werde immer versuchen mich nicht ausnützen zu lassen. Ich  komme eigentlich immer freundlich und auch fröhlich zum Kunden. Natürlich wird das nicht immer genauso entgegengebracht, aber damit muß ich leben. Aber herablassend, befehlend und auch nicht in einer überlauten Lautstärke mir gegenüber geht gar nicht. Ich bin gerne hilfsbereit und sage meistens meine Hilfe beim laden oder abladen zu, wenn ich darum gebeten werde. Sollte ich sehen und wissen, daß genug Personal da ist, kann es sein das ich es ablehne. Warum soll ich dann Arbeiten übernehmen, für die mich diese Adresse nicht extra bezahlt.

 

Wenn man manchmal zu Lade oder Abladestellen kommt beginnt es schon bei der Anmeldung. Oftmals wird man einfach ignoriert, obwohl ein Blick, ein Zeichen, oder ein kurzes bin gleich für sie da, reichen würde, daß man sich nicht total bescheuert vor kommt. Manchmal wird nicht mal der Gruß erwidert. Da ist man manchmal schon geneigt sich zu entschuldigen, weil man Ware bringen oder abholen möchte.

 

Aber hier tue ich vielen Unrecht. Es gibt natürlich auch viele Ausnahmen. Ein Lächeln, ein freundliches Wort, höfliche Begrüßung, usw.! Natürlich kommt es auch darauf an, wie die Angestellten drauf sind. Haben sie selbst ein gutes Arbeitsumfeld, gute Kollegen, ein einigermaßen zufriedenes Privatleben, usw.! Auch hier gilt, wir sind alles nur Menschen und haben mal gute und schlechte Tage. Man weiß auch nicht, mit was für Problemen der Gegenüber schon zu kämpfen hatte und wie viele unfreundliche Fahrer schon da waren. Natürlich rechtfertigt das keinen unfreundlich Ton, aber die Menschen sind nun mal sehr emotional. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Keiner beim Kunden weiß, was der Fahrer schon an diesem Tag erlebt hat. Da sollte gegenseitiges Verständnis und auch manchmal Rücksichtnahme von Vorteil sein, aber nur in gewissen Grenzen. ;)

 

Aber jetzt mal zurück zu dem, was sich manchmal Fahrer alles gefallen lassen müssen!

 

Bevor  man das Büro mit den Anweisungen wo man sich als nächstes zu melden hat, fragt man manchmal nach Toiletten. Wenn man Glück hat kriegt man den Weg zur Toilette gesagt. Immer öfter steht auf den Firmengelände ein Dixieklo. Naja, einerseits habe ich schon Verständnis, daß den Fahrern so etwas hingestellt wird, aber ich finde es eigentlich extrem diskriminierend und menschenunwürdig. Ich glaube wir Fahrer haben schon alle extrem verdreckte Toiletten gesehen. Da  fragt man sich, wer diese Toiletten so hinterlässt. Gerne wird so etwas auf unsere osteuropäischen Kollegen geschoben, was ich aber anzweifle, weil ich es selbst nicht genau weiß und gesehen habe. Ich hatte mal einen Kunden in Köln, zu dem ich regelmäßig kam. Irgendwann, als ich auf die Toilette wollte, wurde mir das verweigert. Begründung war, daß die Toiletten neu gemacht sind und angeblich irgendwelche Fahrer ihre Unterhose das Klo runtergespült haben und dadurch den Abfluss verstopft wurde. Da mußte extra eine Rohrreinigungsfirma kommen und es entstanden Kosten. Ich weiß nicht ob ich das glauben soll, oder nicht, aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, daß einer seine Unterhose versenkt und runterspült. Ok, irgendwie ist ja alles möglich. Sollte das aber wirklich der Wahrheit entsprechen, kann man verstehen daß einem der Zugang zur Toilette verweigert wird, oder wie in anderen Fällen ein Dixieklo hingestellt wird. Wenn das Dixieklo auch regelmäßig gewechselt, entleert und auch gesäubert ist, ist es besser wie nichts. Auch gibt es Firmen, bei denen die Duschen für die Fahrer zugemacht wurden, weil regelmäßig die Armaturen abmontiert wurden. Diese Reaktion kann ich verstehen, aber wenn ich als Fahrer, der eigentlich sauber ist und kein Werkzeug mit in die Dusche nimmt,  darunter leiden muß weil irgendwelche Spinner ein Verhalten an den Tag legen, der unseren Ruf noch schlechter macht wie er eh schon ist. Aber man ist als Fahrer eigentlich diesen Dingen ausgeliefert und muß es sich einfach gefallen lassen.

 

Wenn man sich jetzt noch die Parkplätze anschaut, die wir alle ja schon gesehen haben, wird es oft extrem eklig. Wenn ich ganz ehrlich bin, pinkle ich lieber irgendwohin, als das ich die Toiletten auf den Parkplätzen benutze. Ich habe schon öfters, wie ihr sicher auch, die Tür aufgemacht und sofort wieder zu, bevor man sich übergibt. Was für Schweine denkt man sich da. Als ich letzte Woche auf einem Parkplatz stand und Feierabend hatte, konnte ich so eine Toilette von der Seite aus betrachten. Mir ist bei vielen Menschen aufgefallen, die angehalten haben um sich zu erleichtern, daß sie an dem Toilettenhaus vorbeilaufen und schlagen sich lieber in die Büsche um zu pinkeln. Sogar eine Frau habe ich gesehen, die hinter dem WC-Haus die Hose runterzog und  lieber in der Wiese in die Hocke ging. Das scheinen auch alles Leute zu sein, die diese negativen Erfahrungen mit den Toiletten auf den Parkplätzen gehabt haben. Wenn man aber zu einer Raststätte kommt, muß man jedes Mal den Geldbeutel zücken, weil man für den Toilettengang bezahlen muß. Ganz große Werbung für die Sauberkeit macht da ja Sanifair. Naja, 70 Cent bezahlt man und kann dann 50 Cent im Shop einlösen. Aber selbst da habe ich schon Toiletten gesehen, die diese 70 Cent auf keinen Fall Wert waren. Anstatt die so stark angepriesene Sauberkeit, hat man eine unsauber Toilette vorgefunden, bei der man am überlegen ist, ob sie an diesem Tag schon gereinigt wurde. Aber was soll man als Fahrer machen? Man hat die Arschkarte, weil man ja nirgend wo anders hin kann. Und jetzt überlegt mal, wenn man von Freitag Abend bis Montag Morgen seine Pause auf der Raststätte machen muß, wie oft man am Tag auf die Toilette muß? Duschen kostet auch im Schnitt ca. 3 Euro.

 

Jetzt wieder zurück zum Kunden.

 

Wenn man als Fahrer dann seine Bedürfnisse entledigt hat, sofern man das konnte, ist meistens der Gang ins Lager der nächste Weg,  wenn man noch keine Rampe zugewiesen bekommen hat.  Da gibt es verschiedene Begegnungen. Meistens freundlich und nach kurzem Blick auf die Papiere bekommt man eine Rampe zugewiesen die frei ist, oder demnächst frei wird. Aber manchmal wird man extrem unfreundlich empfangen, oftmals noch nicht mal mit einen Gruß. Wenn man dann an die Rampe gefahren ist, geht man ins Lager, sofern man das darf und macht das Spannbrett und Ladungssicherung los. Dann steht man da und wartet. Manchmal steht man rum wie ein  Depp und es fahren ständig Stapler an einem vorbei . Meistens wird man keines Blickes gewürdigt und einfach ignoriert. Wenn mir das zu blöd wird, gehe ich wieder raus und setze mich in den Lkw. Sobald die Rampe aufgelegt wird, ein Stapler drauf fährt, merkt man das im Fahrerhaus. Wenn neben der Rampe Elektroameisen stehen, weiß man eigentlich schon, daß man abladen muß. Aber wie ich schon öfter feststellen konnte, wenn man es verweigert, kommt doch irgendwann jemand wo abladet. Das ist natürlich Taktik von denen, weil  sie wissen, daß wir Fahrer oftmals Folgetermine haben und uns die Zeit im Rücken sitzt. Oftmals laden die Fahrer dann selbst ab, weil sie zuviel Zeit beim Diskutieren und beharren auf ihre Rechte verlieren würden.  Diese Taktik geht leider viel zu oft auf und wenn mal einer kommt, der kein Zeitdruck hat und auf seine Rechte besteht, ist ganz schön Theater.

 

Wenn man jetzt noch diesen Palettentausch betrachtet, ist das wieder ein Grund, daß der Fahrer die Arschkarte hat. Er ladet beim Kunden Europaletten mit diversen Qualitäten. Mal Neue, dann helle gebrauchte Paletten, oder gebrauchte ältere Paletten. Wenn man eine gute Qualität von seinem Stammkunden bekommt, setzt der Kunde voraus, daß man die gleiche Qualität wieder zurück kommt. Aber die Empfänger  sehen das oft anders und man muß diskutieren. Muß!? Ja, eigentlich schon, wir liefern ja Ware unseres Auftraggebers und liefern diese aus. Er bezahlt diese Tour meinem Chef, also muß ich ja im Sinne des Auftraggebers handeln. Es gibt viele Fahrer und auch Kollegen in der eigenen Firma, die keine Lust haben mit der Abladestelle zu diskutieren und nehmen wortlos alles an was sie zum Tausch hingestellt bekommen. Naja, ich bin da extrem genau und handle im Sinne des Auftraggebers und meines Chefes. Man braucht nicht alles zu akzeptieren und kann ja mit dem Auftraggeber Rücksprache halten, wie man sich verhalten soll. Ich mache das in der Regel und es hat mir vor kurzem sogar ein Hausverbot eingebracht, nur weil ich, sogar mit Absprache des Auftraggebers, den Palettentausch verweigert habe. Auch wenn ich danach nicht mehr zum Auftraggeber zurückgefahren wäre, sondern zu einer anderen Ladestelle und ich hätte die Paletten beim vorherigen Kunden angenommen hätte mir die Ladestelle diverse Paletten abgezogen weil die Qualität minderwertig ist, hätte ich Probleme mit meinem Chef bekommen, weil ich beim Palettentausch mir eine schlechte Qualität habe andrehen lassen. Und jetzt? Jetzt habe ich im Sinne der Auftraggebers und meines Chefs gehandelt und habe Hausverbot bekommen!? Das soll jetzt mal einer verstehen. Aber der Logistiker, der dieses Hausverbot ausgesprochen hat, besteht auf sein Hausrecht und man kann nichts machen, obwohl man im Recht ist. Also, Arschkarte. :/

 

Was gibt es noch wo der Fahrer die Arschkarte hat? Eigentlich jeden Tag auf der Straße. Man hat vom Gesetz vorgeschriebene Arbeitszeiten. Nach 4,5 Std. Fahrzeit, oder nach 6 Std Arbeitszeit muß er eine Pause von 45 Min machen. Danach darf er nochmal 4,5 Std fahren und muß dann eine Pause von mindestens 9 Stunden machen. Es gibt diverse Zeitvarianten die aber mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun haben. Aber das mit der Pause ist nicht so einfach wie es sich anhört. Jeder der schon einmal auf der Autobahn unterwegs war, kann sehen das die Parkplätze extrem überfüllt sind. Wo soll man parken? Da kann sein man bekommt nach langem suchen einen Platz, der laut und nicht gerade erholsam ist. Aber man muß ja die gesetzlich vorgegebenen Pause machen. Diese Zeitenregelung ist nicht schlecht und hat schon seinen Sinn, aber manchmal sucht man ewig einen Parkplatz und muß auch diverse Zeiten überziehen, die dann bei einer Kontrolle beanstandet und eventuell auch geahndet wird. Aber die Regierung in Deutschland hat es schlichtweg verpennt und dem eigentlich voraussehenden erhöhten Transportaufkommen nicht rechtzeitig ausreichenden Parkraum zur Verfügung zu stellen.

 

Aber dieses Problem weitet sich ja auch noch aus. Man ist durch diese Parkplatznot auf Industriegebiete ausgewichen und hat dort ohne sanitäre Anlagen übernachtet. Dadurch kam es, daß die Fahrer ihre Notdurft irgendwo verrichtet haben und viele unvernünftige Fahrer haben ihren Müll einfach aus dem Fenster geschmissen und sind am Morgen nach ihrer Pause weitergefahren. Naja, viele Stadtverwaltungen haben dadurch natürlich höhere Kosten durch beseitigen des Mülls und haben begonnen, die Industriegebiete für Lkw ein Parkverbot zu verhängen. Wenn man sich das überlegt, Lkw sollen in Industriegebieten anliefern, dürfen dort aber keine Pause machen? Also, Arschkarte.

 

Aber wisst ihr was? Auch wenn der Fahrer so viele Arschkarten hat, machen doch viele den Job sehr gerne. Truckerromantik ist nicht mehr, obwohl!? Wenn ich manchmal die Sonnenaufgänge sehe, die Sonnenuntergänge sehe, oder auch sehr viele schöne Gegenden  die wir befahren dürfen. Ja, immer wieder kommen mal neue Gebiete vor, die man noch nicht gesehen hat. Ja, auch lieben manche die Herausforderungen, die uns sehr oft erwarten. Enge Straßen, Lade und Abladestellen bei denen es eine Herausforderung ist, hinzukommen oder zu rangieren. Aber auch die vielen Menschen, denen man auf der Straße, bei den Kunden und auf den Parkplätzen begegnet. Die gewisse Freiheit, die in Wirklichkeit ja keine ist, weil man ja vorgeschrieben bekommt wo man wann hinzufahren hat. Wenn man ein gutes Lied im Radio hört und unbeschwert dem Ziel entgegenfährt. Wenn man in längeren Fahrten den Gedanken nachhängen kann. Wenn man neue Menschen kennen lernt.Wenn man stolz seinen Lkw pflegt und hegt, wenn man am Ende der Woche nach Hause kommt und kann seine Liebsten in die Arme schließen.

 

Ja, viele schimpfen und jammern über diesen Job, aber es gibt einige Fahrer, die diesen Job mit stolz machen. Sie wissen, daß es ohne ihre Arbeitskraft innerhalb kürzester Zeit das Chaos im Land ausbrechen würde, weil die Versorgung zusammenbricht. Ja, dieses Bewusstsein und Anerkennung ist den meisten Menschen leider nicht bewußt. Es ist ja alles immer da wenn man etwas braucht und wenn doch etwas fehlt, ist es meistens innerhalb 24 Std beim Verbraucher. Aber wie es da hinkommt ist keinem bewusst. Man ist durch diese Wohlstandsgesellschaft einfach zu verwöhnt.

 

Ich hoffe, daß ich einigermaßen erklären konnte, warum  in vielen Fällen der Fahrer die Arschkarte hat und deswegen manchmal dadurch mit einem negativen und falschen Verhalten auffällt. Klar soll das keine Rechtfertigung und Freibrief für diverse Verhalten sein, aber wir Fahrer sind auch nur Menschen und machen Fehler. Ich bin überzeugter Optimist und glaube, daß wir alle besser miteinander Leben und zusammen gut auskommen können, wenn wir etwas mehr gegenseitiges Verständnis haben.