10.09.2023

 

 

 

Ich fühle mich diskriminiert und benachteiligt :/

 

 

 

Wir haben vor ca. zwei Monaten einen Rundbrief in der Firma bekommen, in dem wir Fahrer darauf hingewiesen werden, dass wir bei diversen Erkrankungen die Fahrerlaubnis ein halbes Jahr früher beantragen sollen. Es geht dabei um Diabetes, Herzerkrankungen, Bluthochdruck, usw.!

 

Vor vier Jahren wurde bei mir Diabetes festgestellt und ich war deswegen krankgeschrieben. Der Blutzuckerwert war viel zu hoch und nach Meinung meines Diabetologen war es zu gefährlich, mit diesen Werten Lkw zu fahren. Da bei mir die Verlängerung der Fahrerlaubnis bevorstand, tat ich alles was möglich war, um diese Werte in den Griff zu bekommen. Essensumstellung, Abnehmen und mehr Bewegung. Ich schaffte es tatsächlich und meine Werte waren wieder in Ordnung (und sind seither durchwegs gut). Etwas Beherrschung und entsprechende Medikamente lassen mich sorgenfrei leben.

 

Also auf zum Arzt, der mir bescheinigt, dass ich Lkw fahren darf. Alles vorgelegt, untersucht worden und ich bekam die erforderliche Bescheinigung (nach Anlage 5) um wieder fünf Jahre Lkw fahren zu dürfen. Noch Passbilder machen, die Nachweise über die Modulschulung einpacken und ab aufs Amt. Als ich dann alles dem Sachbearbeiter übergebe, fragt er mich ob ich Zucker, Herzprobleme oder Bluthochdruck habe. Naja, wahrheitsgemäß antworte ich, dass ich seit neuestem Diabetes habe, aber die Werte gut eingestellt sind. Oha! Hätte ich nur gelogen L

 

Ja, sagte er, dann brauche ich eine Bescheinigung vom Diabetologen, dass ich Lkw fahren darf. Ich wies auf die Bescheinigung vom Arzt, der mich untersuchte, hin und zeigte mein Diabetespass mit meinen Werten. Tja, interessiert nicht, ich muss eine zusätzliche Bescheinigung vom Diabetologen besorgen L

 

Nach Rücksprache mit meinem Nachbarn, der Referent im Bereich des Fahrerlaubnisrechts ist, bestätigte dieser mir, dass ich keine andere Wahl habe und sogar froh sein kann, dass kein Gutachten gefordert wurde :o Das würde um die 800 Euro kosten und einen Termin bekäme man sicher auch nicht zeitnah :/

 

Also, ich dann zum Diabetologen, der mir glücklicherweise auch recht schnell etwas schrieb und mich freundlich darauf hinwies, dass er eigentlich 80 Euro verlangen könnte. Boah! Nix wie weg und wieder auf das Amt.  Als sie das Zusatzschreiben hatten, war es kein Problem mehr.

 

Aber jetzt zurück zu dem Rundbrief meiner Firma. Natürlich zeigte ich es meinem Nachbarn und wir setzten uns letztes Wochenende zusammen und sprachen darüber.

 

Die „Bescheinigung nach Anlage 5“ wurde tatsächlich geändert. Wenn wir zum Arzt gehen und lassen uns untersuchen für die nächste Verlängerung, muss der Arzt wie bisher eine „Bescheinigung nach Anlage 5“ ausfüllen, in der dann zwei Ankreuzmöglichkeiten drin sind:

 

Ich bescheinige, dass

 

keine Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können,

 

Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können. Folgende Befunde wurden erhoben:

 

Wenn der Arzt, der nun diese Bescheinigung ausstellt, feststellt, dass jemand wie ich z. B. Diabetes hat, dann muss er das reinschreiben, darf es aber nicht selbst untersuchen, sondern muss das eintragen, damit dann die Behörde entscheiden kann, was gemacht werden muss.  

 

Dann kann/sollte eigentlich der Sachbearbeiter der Fahrerlaubnisstelle den Fahrer zum Facharzt schicken, um eine extra Bescheinigung zu besorgen. Und genau aus diesem Grund, sollte man ein halbes Jahr vor Verlängerung den Antrag stellen.

 

Auf mein Argument, dass ich ja eine Bescheinigung vom Arzt habe und fahrtauglich bin, wies mich mein Nachbar hin, dass es ja in meinem Fall kein Facharzt für Diabetologe ist. Jeder Hausarzt kann mir bescheinigen, dass ich Lkw fahren darf, aber da in der Vergangenheit viel Schmu gemacht wurde und tatsächlich Menschen eine Berechtigung bekommen haben, obwohl sie eher eine Gefahr im Straßenverkehr sind, wurde das alles geändert und man braucht eventuell zusätzliche Bescheinigungen vom Facharzt.

 

Ich kann das schon irgendwie nachvollziehen und verstehen, aber wenn doch wirklich jemand Herzprobleme hat oder Zucker, dann ist er doch in regelmäßiger Behandlung und bekommt Medikamente, oder nicht? Ich als Diabetiker bin sogar dazu verpflichtet (was ich der Krankenkasse sogar unterschreiben musste), dass ich alle 3 Monate zur Zuckerkontrolle gehe und so immer Nachweise über meine Werte habe. Sicherlich auch oft bessere Werte, als jemand der diese Kontrollen nicht regelmäßig machen muss. Ich, der regelmäßig meine Medikamente nehme, soll also extra noch zwei Tage mehr Urlaub nehmen (im Fernverkehr geht man halt nicht „einfach mal schnell“ zum Arzt oder Amt), um die Bescheinigung zu holen und aufs Amt zu bringen? Ich, der regelmäßig den Zucker testet, muss evtl. nochmal Geld in die Hand nehmen um die zusätzliche Bescheinigung auch noch zu bezahlen?

 

Sorry, wenn der Arzt bei der Untersuchung für die Fahrerlaubnis etwas feststellt und das reinschreibt, und man dann zum Facharzt muss, finde ich das ok. Sicher ist Sicher ;) Aber wenn der untersuchende Arzt trotz der vorgelegten, nachweislich guten/normalen Zuckerwerte trotzdem ankreuzen muss, dass „Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können“, finde ich das schon reichlich schräg. Er sieht doch meine Werte und kann sie einordnen! Mit einer chronischen, aber eingestellten Erkrankung wird man da schon etwas diskriminiert, finde ich, man fühlt sich schon sehr benachteiligt.

Zudem ist es mir passiert, dass ein Kollege, ebenfalls mit Diabetes, ebenfalls auf der gleichen Behörde, allerdings bei einem anderen Sachbearbeiter, ohne Probleme und ohne gesonderte Bescheinigung vom Diabetologen die Verlängerung erhalten hat, obwohl genau die gleichen Voraussetzungen wie bei mir vorhanden waren. Ich musste eine Bescheinigung bringen, sonst hätte ich keine Verlängerung bekommen. Besteht da so viel Spielraum? Trotz gleicher Voraussetzungen? Nach was entscheidet das der Sachbearbeiter? Sorry, das ist für mich nicht nachvollziehbar und hat den Beigeschmack, dass da willkürlich entschieden werden kann/könnte.

 

Aber wie dem auch sei, wir können es nicht ändern und müssen uns dem Ganzen beugen und anpassen, wenn wir unseren Job weiter ausüben wollen. Geht also wirklich früh genug zum Arzt, wenn ihr betroffen seid, damit ihr im Fall der Fälle nicht in die Lage kommt, dass euer Führerschein abläuft und der neue noch nicht da ist.

 

 

 

Für Interessierte und Masochisten hier die Begründung des Gesetzgebers, warum man das mit der Anlage 5-Bescheinigung mit welcher Zielsetzung geändert hat:

 

„…Durch die Änderung der Nummer 1 Satz 1 sowie des Musters der Anlage 5 hat der Arzt der Fahrerlaubnisbehörde künftig im Rahmen der von ihm vorgenommenen Screening-Untersuchung nur noch den medizinischen Befund mitzuteilen (nur Nummer 1 Satz 1 : „...ob Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können“; Muster der Anlage 5: „keine Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können/ Anzeichen für Erkrankungen vorliegen, die die Eignung oder die bedingte Eignung ausschließen können. Folgende Befunde wurden erhoben: ...“).

 

Er hat nicht auch eine Empfehlung über das weitere Vorgehen auszusprechen. Die Frage des Weiteren Vorgehens bleibt der Fahrerlaubnisbehörde überlassen. Diese hat dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob der Betroffene bereits einer eingehenden Eignungsuntersuchung nach den §§ 11 ff. unterzogen wurde, und ob diese Untersuchung sowie etwaige bereits bestehende Auflagen ausreichend sind oder nicht. Dies beseitigt insbesondere Unsicherheiten seitens der Ärzteschaft, wie zu verfahren ist, wenn der von der Screening-Untersuchung Betroffene erkennbare Anzeichen einer fahreignungsrelevanten Erkrankung aufweist, diese Erkrankung derzeit aber nicht zu einer Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens führt (z. B. wenn der Betroffene erkennbar an einem mittelschweren/ schweren obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom leidet, derzeit aber keine messbare Tagesschläfrigkeit vorliegt; bei einer solchen Erkrankung ist nach Anlage 4 eine behördliche Überwachung in einem kürzeren Intervall als dem nach Anlage 5 vorgesehenen 5-Jahres-Zeitraum und gegebenenfalls auch eine eingehendere Untersuchung erforderlich).

 

Die Formulierung „keine Anzeichen für“ betont den Screening-Charakter der Untersuchung und verhindert, dass der Screening-Arzt sich zu einer gutachterlichen Stellungnahme verleitet sieht. Im Rahmen einer Screening-Untersuchung können mit der Kombination aus orientierender Untersuchung und Anamnese allenfalls Anzeichen für Erkrankungen ausgeschlossen oder festgestellt werden. Durch die Änderung der Hinweise in Teil I Ziffer 2 Satz 2 sind die Explorationsmöglichkeiten des untersuchenden Arztes künftig auf einen fachlichen Austausch mit anderen Ärzten beschränkt, eine Kombination aus Untersuchung und Beratung durch einen anderen Arzt ist nicht mitumfasst. Unter einer konsiliarischen Erörterung mit anderen Ärzten, die in der Gebührenordnung für Ärzte mit der Ziffer 60 aufgeführt ist, ist der patientenbezogene fachliche Austausch zwischen zwei oder mehr liquidationsberechtigten Ärzten, die sich mit dem Betreffenden in persönlichem Kontakt befinden, zu verstehen.

 

Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird auf Folgendes hingewiesen: Die Untersuchung nach Anlage 5 ist weiterhin als reine Screening-Untersuchung ausgestaltet. D. h. der Gutachter (Arzt) untersucht lediglich, ob Anzeichen für eine Krankheit bestehen, die die Fahreignung ausschließen könnte. Ist dies der Fall, teilt er diese (die Anzeichen = Befunde) der Fahrerlaubnisbehörde mit, die auf der Grundlage dieser übermittelten Tatsachen sodann entscheidet, ob eine weitergehende Untersuchung durch einen Arzt erforderlich ist. Der die Screening-Untersuchung durchführende Arzt gibt dabei keine endgültige Beurteilung der Fahreignung ab und kann dies bei dieser Art von Screening-Untersuchung auch gar nicht. Er muss aber der Fahrerlaubnisbehörde die Befunde mitteilen (können), damit diese in der Lage ist, darüber zu entscheiden, ob weitergehende Untersuchungen erforderlich sind.

 

Ferner ist zu beachten, dass die Entscheidung über weitergehende Maßnahmen immer bei der Fahrerlaubnisbehörde liegt. So darf ein Gutachten über die Fahreignung z. B. nach § 11 Absatz 2 FeV (entsprechendes gilt dann auch für das Screening-Gutachten) von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ungeprüft übernommen werden, sondern muss einer eigenen kritischen Würdigung unterzogen werden (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, § 11 Rn. 41 unter Verweis auf OVG Münster NJW 17, 283 (OVG Münster, Beschluss vom 10.10.2016 – 16 B 673/16), Geiger NZV 07, 491 (Geiger: Die Bedeutung der medizinisch-psychologischen Untersuchung im Fahrerlaubnisrecht), denn sie - und nicht der Gutachter - befindet darüber, ob der Betroffene den Anforderungen des Fahrerlaubnisrechts hinsichtlich der Kraftfahreignung genügt (Dauer - 73 - Drucksache 858/21 wie oben, unter Verweis auf VGH Mü Bay VBl. 09, 111,114; OVG Br NJW 11, 3595 (OVG Bremen, Beschl. v. 1. 8. 2011 − 2 B 133/11). Dies setzt zwingend voraus, dass ihr auch die Befunde vorliegen.